Das mondäne Seebad in der Normandie ist eine Stadt vom Reißbrett. Sie entstand in nur vier Jahren Bauzeit und war eine Idee des pferdeverrückten Duc de Mornay. Dabei gab es für ihn ganz eindeutige Prioritäten: Der Pariser Lebensstil sollte nach Deauville transportiert werden, und eine Pferderennbahn mitten in der Stadt gehörte unwiderbringlich dazu.
Eigentlich begann alles mit dem Nachbarort Trouville, seit 1840 ein beliebter Badeort. Doch dann ließ Duc de Mornay seinen Blick über die Marschen jenseits des kleines Flusses Touques schweifen und meinte: „Das kann ich besser“. Gemeinsam mit einem kleinen Konsortium aus Aristokraten, Bankern und Bauunternehmern machte man sich 1860 daran, einen neuen Treffpunkt der Pariser Haute Volée zu kreieren. Immobilien-Spekulation, — die Aufteilung des Landes in Parzellen und nach Wertsteigerung Verkauf an Privatiers — stand im Hauptinteresse, und sollte sich schließlich als erfolgreich erweisen. Der passionierte Pferdefreund Mornay, ein Halbbruder von Napoleon III., ließ die Marschen trockenlegen, und baute eine komplett neue Stadt. Wichtig für ihn: „Erst die Rennbahn, dann die Kirche“. Seine reichen Freunde errichteten pompöse Belle-Époque-Villen, 1863 wurde die Eisenbahnlinie Paris-Deauville eröffnet. In knapp vierjähriger Bauzeit entstand das Seebad in der Normandie. Bald wurde Deauville als das „21. Arrondissement von Paris“ bezeichnet.
Wirtschaftsfaktor PferdNeben dem Tourismus und dem elftägigen „Festival des amerikanischen Films“, nehmen im Kalender der nur 3.800 zählenden Einwohner Deauvilles etliche Events rund um das Pferd einen großen Stellenwert ein. Die Pferderennbahnen „Deauville - La Touques“ und „Deauville - Clairefontaine“, Vollblut-Auktionen, Polo-Meisterschaften, Sprung- und Dressurreiten und der multifunktionale Reit- und Traingskomplex „Pôle International du cheval“ unterstreichen das eindrucksvoll. Der regionale Umsatz rund ums Pferd wird auf etwa 270 Millionen Euro geschätzt.
Die Rennbahn „Deauville - La Touques“Bereits beim Entwurf des Stadtplans wurde die Rennbahn ganz bewußt mitten in die Stadt platziert. Konzipiert wurde sie vom Architekten Saint-Germain, der auch die Trabrennbahn Vincennes entwarf.
Die Einweihung, natürlich durch den Duc de Morny und seine illustren Freunde, fand am 14. und 15. August 1864 mit einem Doppelrenntag statt. Auf dem Programm standen insgesamt sechs Galopp-, Trab- und Hindernisrennen. Im darauffolgenden Jahr, der Duc war überraschend verstorben, wurde zum ersten Mal der „Prix Morny“ gelaufen, ein Rennen für Zweijährige und ältere Pferde über 1000 Meter. 1866 fügte man einen dritten Renntag hinzu, an dem der „Coupe de Deauville“ ausgetragen wurde, ausgeschrieben für Dreijährige und ältere Pferde über 2400 Meter. Dieses prestigeträchtige Rennen wurde 1871 in den „Grand Prix de Deauville“ umbenannt und seitdem am letzten Sonntag im August gelaufen.
Bis heute ist die Rennbahn mehrmals umgebaut und erweitert worden. 1913 erfuhr die Tribüne einen Facelift im Stil der Architektur von Longchamp, 1994 wurde sie modernisiert und mit einem Panoramarestaurant aufgewertet. Das einer normannischen Scheune ähnelnde Waagegebäude, der „Pavillon des Balances“, stammt hingegen noch aus dem Jahr 1950.
2003 entstand nach einer Investition in Höhe von 2,3 Millionen Euro Frankreichs erste Allwetterbahn („Piste en Sable Fibre Huilé“) und seitdem werden in La Touques ganzjährig rund 50 Rennveranstaltungen durchgeführt. Damit ist sie die Rennbahn mit den meisten PMU - Veranstaltungen.
Die großen Rennen sind allesamt nach denen benannt, die sich um die Rennbahn verdient machten, meistens Geldgeber und „Vereins“-Präsidenten wie Graf Jacques Le Marois, Guy de Rothschild, Maurice de Gheest, Duc de Morny und Jean Romanet.
Das Trainingszentrum von Deauville gibt es erst seit 1983. Hier werden 300 Pferde trainiert, während der Rennwochen in den Monaten Juli und August sind es doppelt so viele. Den Trainern stehen zwei Sandbahnen (jew. 2000 Meter, eine davon mit mobilen Hindernissen) und eine 2000 Meter-Grasbahn zur Verfügung.
Zahlen und Fakten
Größe 75 Hektar, Grasbahn mit Linkskurs, Innenbahn 2200 Meter und Gerade Bahn 1600 Meter, Zielgerade: 450 Meter, Allwetterbahn: 2100 Meter, Ziekgerade 430 Meter, Zuschauer-Kapazität: 10.000, davon 2.000 auf der Tribüne, Parkplätze: 2.000. Im Innenraum der Rennbahn gibt es drei Polo-Spielfelder, auf denen regelmäßig Turniere stattfinden.
Die Rennbahn „Deauville - Clairefontaine“
Eine Rennbahn mit normannischem Fla, rustikaler ländlicher itektur, geschmückt mit Archund tausenden von Geranien, das ist „Clairefontaine. Die einzige drei-disziplinäre Rennbahn in der Normandie hat eine recht wechselvolle Geschichte hinter sich. Am 8. August 1928 wurde sie als Flach- und Hindernisrennbahn eingeweiht. Vier Jahre später kamen Trabrennen hinzu. 1936 wurde erweitert, 1939 wegen des Zweiten Weltkriegs geschlossen. Erst 1949 fanden wieder Rennen statt: 14 Renntage, davon sechs mit PMU — und so blieb es dann bis 1995. Die größten Rennen sind die „Grand steeple-chase de Deauville“, die „Grande course de Haies“ und der „Grand Prix de Clairefontaine“, der die Saison traditionell beschließt.
Die Renntage in Clairefontaine werden als Events veranstaltet. Man stellt ein großes Familienprogramm auf die Beine, organisiert Themenrenntage (Ökologie, Kinder, Glück) und pflegt eine enge Anbindung an Geschäfte und Vereine aus der Region.
Zahlen und Fakten
Größe: 40 Hektar (zwei Kilometer von Deauville entfernt, zwischen den Ortschaften Bénerville und Tourgéville). Eine Flachbahn (2000 Meter), eine Hürden-, eine Jagd- und eine Traberbahn. Platz für 7000 Besucher, 2000 Parkplätze, zwei Restaurants.
Die Auktionen
Der Pferdehändler Isaac Salvador Ravel organisierte am 20. August 1887 die erste Jährlingsauktion in Deauville. Der Rekordverkaufspreis im Waageraum der Rennbahn belief sich auf 7700 Francs. „Tattersall Frankreich“ machte dieser Veranstaltung einhundert Jahre Konkurrenz, bis dann (1968 bis 2006) die Gesellschaft „Agence Francaise de Vente du Pur-sang“ für die Auktion verantwortlich zeichnete. Nach deren Fusion mit Goffs France trat 2006 die auf Vollblut- und Schmuckauktionen spezialisierte Unternehmensgruppe Arqana auf den Plan.
Die Auktionshalle „Elie-de-Brignac“ in Form eines Amphitheaters wird multifunktional genutzt, als Veranstaltungsort für Seminare, als Theatersaal und kleine Wettbewerbe wie das „Championat der Minipferde“. Das gesamte Areal umfaßt sechs Stalltrakte mit 388 Boxen, einem Präsentationsring und einem Tierärztlichen Behandlungszentrum.
Die dreitägige Jährlingsauktion im August ist die wohl renommierteste Auktion von Rennpferden auf dem europäischen Festland. Käufer aus dem In- und Ausland wissen die Qualität der angeboteten Pferde zu schätzen. Schließlich werden regelmäßig zukünftige Champions bei Arqana in den Ring gebracht. Der Durchschnittskaufpreis lag 2014 bei 147.000 Euro, der beste, der jemals erzielt wurde.
Die Championatsehrung
Seit 1950 findet die feierliche Championatsehrung des französischen Rennsports im noblen Casino von Deauville statt. Hier werden (für Flach- und Hindernisdisziplin) die „Goldene Peitsche“ für den erfolgreichsten Jockey und Nachwuchsreiter, der „Goldene Steigbügel“ für den besten Trainer und das „Goldene Pferd“ für die gewinnreichsten Besitzer und Züchter verliehen.
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Shura Born-Kraëff
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Text Copyright: Susanne L. Born